Wenn ich erstmal die Vertragsunterschrift von Bewerbenden habe, habe ich sie doch im Sack. Was soll ich da jetzt noch mit Onboarding? Auch, wenn das so keiner ausspricht, so scheint es in manchem Unternehmen genauso in den Köpfen verankert zu sein.
Als Interim Managerin starte ich alle paar Monate in einem neuen Unternehmen durch und erlebe somit immer wieder neu, was es heißt, wenn man als Neuling im Unternehmen startet und NULLKOMMANIX vorbereitet ist. Für mich gehört das zum Alltag, für solche, die in einer Festanstellung starten, ist das eine Katastrophe.
Dieser Artikel soll ein Plädoyer für ein gut durchdachtes Onboarding sein!
Onboarding – was genau ist das eigentlich?
Für viele HR-Spezialist:innen beginnt das Onboarding am 1. Arbeitstag des neuen Team-Mitglieds. Ich sage, ein gutes Onboarding beginnt am Tag der Entscheidung füreinander nach einem Bewerbungsprozess. In meiner Definition wird das Onbaording von genau diesem Zeitpunkt an durchgeführt. Es hat selten einen fixen End-Punkt, eine gute Orientierung bieten die ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses. Das Onboarding beinhaltet die Kontaktpflege von der Einstellungsentscheidung bis zum ersten Arbeitsvertrag (Preboarding) und das klassische Onboarding, beginnend mit der Vorstellung des neuen Teammitglieds im Unternehmen, eine fachliche Einarbeitung und die Bekanntmachung mit der Unternehmenskultur.
Warum sollte man ein Preboarding und ein Onboarding neuer Teammitglieder durchführen?
Ganz einfach, damit sie bleiben und sich der Aufwand des Recruitings rechnet.
Folgende Vorteile bringen Pre- und Onboarding mit sich:
- Frühzeitige Bindung des neuen Teammitglieds ans Unternehmen Die Zeit bis zum ersten Arbeitstag kann je nach Kündigungsfrist mehrere Monate dauern. In dieser Zeit ist das Risiko groß, dass Mitbewerber sich an dein neues Teammitglied heranmachen und ihn oder sie doch noch abwerben. Gerade auch der Vorarbeitgeber macht vielleicht noch ein tolles Bleibe-Angebot.
- Schnelle soziale Integration minimiert die Wahrscheinlichkeit, dass der oder die neue Mitarbeitende trotzdem noch für weitere Jobperspektiven offen ist. Einem Team, dem man sich zugehörig fühlt, fühlt man sich auch verpflichtet.
- Je schneller und effizienter die Einarbeitung stattfindet, desto früher leistet das neue Teammitglied einen relevanten Beitrag zum Unternehmenserfolg und erwirtschaftet mehr, als er oder sie kostet.
- Ist in der Anfangszeit ein hohes Vertrauen in den Arbeitgeber entstanden, ist die Bindung auch in schwierigen Zeiten sehr viel höher. Loyale Mitarbeitende sind das Fundament des Unternehmens.
- Eine hohe Fluktuation generell, aber vor allem in den ersten Monaten hat einen deutlichen negativen Einfluss auf das Unternehmensimage. Mitarbeitende, die wenig Bindung zum Unternehmen aufgebaut haben, werden viel eher bereit sein, sich negativ bei Kununu und Co. Zu äußern. Das erschwert das künftige Recruiting massiv.
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Was sind unverzichtbare Bestandteile des Onboardings?
Ein gut geplantes Preboarding
Eine gute Begleitung eines neuen Teammitglieds von der Entscheidung bis zum 1. Arbeitstag. Der Vertrag sollte sehr schnell erstellt und verschickt werden und Fragen sollten im engen Austausch kurzfristig geklärt werden. Der Kontakt sollte danach locker aufrechterhalten werden. Sei es durch regelmäßige organisatorische Fragestellungen, die zwischendurch erörtert werden, aber auch z.B. durch Team-Zusammenkünfte, zu denen der oder die neue Kolleg:in bereits eingeladen wird. Ein gebrandetes Willkommensgeschenk per Post oder ein Willkommensvideo vom Team per Whatsapp – Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Aber bitte in Maßen, kein Stalking des neuen Teammitglieds!
Implementierung eines Patenprogramms
Der oder die Patin kann dem neuen Teammitglied all die ungeschriebenen Gesetze im Unternehmen erklären und so sicherstellen, dass der Start mit möglichst wenigen Stolpersteinen von Statten geht.
Eine ausführliche Willkommensmappe
Eine Willkommensmappe (digital oder hübsch gebunden) kann viele kleine alltägliche Fragestellungen beantworten. Angefangen von Ansprechpartnern z.B. für IT und Technik, ein Raumplan, Telefonliste oder Gebrauchsanweisungen für die Außenbeschattung oder die Kaffee-Maschine. In vielen Unternehmen werden die neuen Teammitglieder damit beauftragt so etwas zu schreiben. Meine Empfehlung ist die, dass diese nur als Tipp-Geber:innen fungieren. Die Zusammenstellung der informationen sollten schon von einem „alten Hasen (oder Häsin)“ vorgenommen werden.
Ein strukturierter Einarbeitungsplan
Das Herzstück sollte aber ein detaillierter Einarbeitungsplan sein. Damit meine ich nicht nur eine Aufstellung von Personen, die der oder die Neue kennenlernen soll. Leider wird das in vielen Unternehmen als Einarbeitungsplan verstanden.
Natürlich ist es wichtig, dass Neulinge alle Ansprechpartner:innen im Unternehmen oder auch bei Geschäftspartnern kennenlernen. Das ist allerdings nur ein kleiner Part des Einarbeitungsplans. Neben der Sozialen Integration sollte unbedingt auch die organisatorische Komponente mit aufgenommen werden. Dazu gehören die gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtschulungen aber unbedingt auch strukturierte Einweisungen in IT-Anwendungen oder Maschinenbedienung, das Durchgehen von Organisationsanweisungen usw. Ganz wichtig ist auch die genau geplante fachliche Einarbeitung. Die Einarbeitungsschritte sollten aufeinander aufbauen und es müssen auch genügend Wiederholungen eingebaut werden. Dieser Plan sollte von der verantwortlichen Führungskraft regelmäßig nachgehalten werden.
Regelmäßiges Feedback
Last but not least gehört zu einem guten Onboarding auch ein regelmäßiges Feedback. Die Termine sollten fest im Terminkalender der Führungskraft stehen. Zu Beginn häufiger, später, wenn alles gut läuft, seltener. Diese Gespräche ermöglichen es einerseits, eventuelle Unzufriedenheit oder gar Abwanderungsgedanken des neuen Teammitglieds frühzeitig zu antizipieren und gegenzusteuern. Andererseits wird so aber auch nachgehalten, ob die Arbeitsleistung der erwarteten entspricht. Ist dies nicht so, kann so frühzeitig eingegriffen werden und weitergehende Unterstützung angeboten werden. Wenn es gar nicht passt, ist es wichtig, dass zügig reagiert wird. Nach Ablauf von 6 Monaten ist eine Trennung in vielen Unternehmen nicht mehr ganz so einfach möglich. Außerdem ist es weder fürs vorhandene Team noch für den betroffenen Neuling, gut, wenn unpopuläre Entscheidungen lange hinausgezögert werden.
Brauchst du noch mehr Argumente?
Wem das noch nicht genug sachliche Gründe waren, hier noch einige ganz menschlich-emotionale:
- Wenn jemand sich entscheidet, die Kündigung einzureichen, verändert sich manchmal alles auf einen Schlag. Vielleicht muss man für den neuen Job umziehen. Die Chefin oder die Kollegen sind vielleicht sauer und meiden einen. Vielleicht bekommt man auch einen Maulkorb und darf es den Kolleg:innen nicht erzählen und fühlt sich damit gar nicht gut. Eventuell ist der Chef aber plötzlich auch bereit zu Veränderungen, die er bisher immer abgelehnt hat? Oder es kommt noch ein anderes attraktives Stellenangebot, das einen zweifeln lässt. Die meisten Menschen mögen keine Veränderungen. Das bekannte Leid ist oft sicherer, als die unbekannte Freude. Wenn sich dann nach einer solchen Lebensentscheidung der neue Arbeitgeber über Wochen oder Monate nicht meldet, ist die Verlockung groß, doch noch ein anderes Angebot anzunehmen oder gar in der alten Gewohnheit zu verharren.
- Nichts ist schlimmer, als in den ersten Tagen oder gar Wochen so gut wie gar nicht arbeiten zu können, weil die IT-Zugänge noch nicht laufen. Diese Langeweile und das Gefühl der Nutzlosigkeit ist wirklich Folter für ein neues engagiertes Teammitglied.
- Gerade die richtig guten Fachkräfte, die gern eigenverantwortlich arbeiten, hassen es, wegen jeder Kleinigkeit fragen zu müssen. Wenn die was zum Nachlesen haben, die eventuelle Fragestellungen auch allein klären können, fühlen sie sich deutlich besser, was ihre Zufriedenheit maßgeblich verbessern wird.
- Der berühmte Sprung ins kalte Wasser ist für die meisten extrem fordernd. Hinzu kommt, dass die Einarbeitung und damit die empfundene Hilfs- und Nutzlosigkeit viel länger dauert, wenn man sich alles mühsam selbst zusammensuchen muss. Wenn man dann noch ständig Fehler macht, die andere vorher schon 10-mal gemacht haben, die aber nirgends dokumentiert wurden sind Frust und Abwanderungsgedanken vorprogrammiert.
- Und ganz nebenbei beißen sich alle Mitbewerber auf dem Arbeitsmarkt in den Popo, weil ihnen die Leute ständig wieder abhandenkommen und deinem Unternehmen nicht. Ist doch eine super Aussicht, oder?
Ein paar Ideen kannst du dir hier herunterladen, wenn du magst.
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